Das One-Time-Pad (OTP) ist eine theoretisch unknackbare Chiffre, sofern bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Es wurde erstmals 1882 von Frank Miller beschrieben und später unabhängig davon 1917 von Gilbert Vernam neu erfunden. Das grundlegende Prinzip des OTP ist die Verwendung eines zufälligen Schlüssels, der so lang ist wie die Nachricht selbst, und der dann mithilfe der XOR-Operation (exklusives ODER) mit der Klartextnachricht kombiniert wird. Trotz seiner theoretischen Perfektion weist das OTP erhebliche Einschränkungen auf, die es für die meisten realen Anwendungen unpraktisch machen.
Erstens stellt die Anforderung eines wirklich zufälligen Schlüssels, der so lang ist wie die Nachricht, eine erhebliche Einschränkung dar. Das sichere Generieren und Verteilen solcher Schlüssel ist eine gewaltige Herausforderung. In der Praxis ist die Erzeugung echter Zufälligkeit schwierig. Die meisten Zufallszahlengeneratoren erzeugen pseudozufällige Sequenzen, die deterministisch sind und potenziell vorhergesagt werden können, wenn der Algorithmus oder der Seed bekannt ist. Echte Zufälligkeit erfordert normalerweise physikalische Prozesse wie radioaktiven Zerfall oder thermisches Rauschen, die für den Einsatz im großen Maßstab nicht leicht zugänglich oder praktikabel sind.
Zweitens ist die sichere Verteilung des Schlüssels problematisch. Damit das OTP sicher bleibt, muss der Schlüssel zwischen Absender und Empfänger über einen sicheren Kanal ausgetauscht werden, der nicht abgefangen oder kompromittiert werden kann. Diese Anforderung macht den Vorteil der Kryptografie, nämlich sichere Kommunikation über einen unsicheren Kanal zu ermöglichen, im Wesentlichen zunichte. Wenn ein sicherer Kanal zur Verteilung des Schlüssels verfügbar ist, könnte dieser auch zur Übermittlung der Nachricht selbst verwendet werden, wodurch das OTP überflüssig wird.
Darüber hinaus darf jeder Schlüssel nur einmal verwendet werden (daher der Name „One-Time“-Pad). Die Wiederverwendung eines Schlüssels bei der OTP-Verschlüsselung ist katastrophal für die Sicherheit. Wenn derselbe Schlüssel zum Verschlüsseln mehrerer Nachrichten verwendet wird, kann ein Angreifer einen Angriff mit bekanntem Klartext durchführen, um den Schlüssel abzuleiten und anschließend alle mit diesem Schlüssel verschlüsselten Nachrichten zu entschlüsseln. Diese Anforderung eindeutiger Schlüssel für jede Nachricht erschwert die Schlüsselverwaltung zusätzlich und macht sie für Umgebungen, in denen große Datenmengen verschlüsselt werden müssen, unpraktisch.
Auch die Speicherung und Verwaltung von Schlüsseln stellt eine große Herausforderung dar. Da der Schlüssel so lang wie die Nachricht sein muss, erfordert die sichere Speicherung dieser Schlüssel erhebliche Ressourcen. Wenn man beispielsweise eine 1 GB große Datei verschlüsseln möchte, muss ein 1 GB großer Schlüssel sicher generiert, gespeichert und verteilt werden. Dies ist für die meisten realen Anwendungen nicht machbar, insbesondere in Szenarien, in denen regelmäßig große Datenmengen verschlüsselt und übertragen werden.
Eine weitere Einschränkung ist die Anfälligkeit für menschliches Versagen. Die korrekte Implementierung des OTP ist wichtig für seine Sicherheit. Jede Abweichung von der vorgeschriebenen Methode, wie etwa eine unsachgemäße Schlüsselgenerierung, unsichere Schlüsselspeicherung oder Schlüsselwiederverwendung, kann das gesamte Verschlüsselungssystem gefährden. Angesichts der Komplexität und der strengen Anforderungen des OTP ist die Gewährleistung einer fehlerfreien Implementierung eine Herausforderung und anfällig für menschliches Versagen.
Darüber hinaus bietet das OTP keinerlei Form der Authentifizierung. Es stellt zwar die Vertraulichkeit der Nachricht sicher, überprüft jedoch nicht die Identität des Absenders oder die Integrität der Nachricht. In modernen kryptografischen Systemen ist die Authentifizierung eine kritische Komponente, und das Fehlen dieser Authentifizierung bei OTP macht den Einsatz zusätzlicher kryptografischer Mechanismen erforderlich, um die Kommunikation vollständig abzusichern.
Trotz dieser Einschränkungen wird das OTP immer noch in bestimmten Nischenanwendungen verwendet, in denen seine Anforderungen erfüllt werden können. Beispielsweise wurde es in der Vergangenheit in der diplomatischen und militärischen Kommunikation verwendet, wo die sichere Verteilung und Verwaltung von Schlüsseln streng kontrolliert werden kann. In solchen Kontexten überwiegt die absolute Sicherheit des OTP seine praktischen Herausforderungen.
Um die mangelnde Praxistauglichkeit des OTP zu verdeutlichen, betrachten wir ein einfaches Beispiel. Angenommen, Alice möchte Bob eine 100 MB große Datei mit dem OTP senden. Sie muss zunächst einen 100 MB großen Zufallsschlüssel generieren, den sie dann für die XOR-Verknüpfung mit der 100 MB großen Datei verwendet, um den Geheimtext zu erzeugen. Dieser 100 MB große Schlüssel muss sicher an Bob übermittelt werden, bevor er den Geheimtext entschlüsseln kann. Wenn Alice und Bob regelmäßig kommunizieren möchten, bräuchten sie für jede Nachricht einen neuen 100 MB großen Schlüssel, was zu einer enormen Menge an Schlüsseldaten führt, die sicher generiert, gespeichert und übermittelt werden müssen.
Moderne kryptografische Systeme, wie solche, die symmetrische Schlüsselalgorithmen (z. B. AES) oder asymmetrische Schlüsselalgorithmen (z. B. RSA) verwenden, verwenden dagegen deutlich kürzere Schlüssel, die mit weniger Aufwand sicher verwaltet und verteilt werden können. Diese Systeme bieten außerdem zusätzliche Funktionen wie Authentifizierung, Integritätsprüfung und Nichtabstreitbarkeit, die für eine sichere Kommunikation in realen Anwendungen unerlässlich sind.
Obwohl das One-Time-Pad eine faszinierende und theoretisch perfekte Verschlüsselungsmethode bleibt, ist es aufgrund seiner praktischen Einschränkungen für die meisten realen Anwendungen ungeeignet. Dazu gehören die Notwendigkeit wirklich zufälliger Schlüssel, eine sichere Schlüsselverteilung, eindeutige Schlüssel für jede Nachricht und das Fehlen einer Authentifizierung. Moderne kryptografische Systeme bieten eine praktischere und umfassendere Lösung zur Sicherung der Kommunikation.
Weitere aktuelle Fragen und Antworten zu Grundlagen der klassischen EITC/IS/CCF-Kryptografie:
- Wurde die Public-Key-Kryptografie zur Verwendung in der Verschlüsselung eingeführt?
- Wird in der Kryptografie die Menge aller möglichen Schlüssel eines bestimmten kryptografischen Protokolls als Schlüsselraum bezeichnet?
- Werden bei einer Verschiebechiffre die Buchstaben am Ende des Alphabets nach der modularen Arithmetik durch Buchstaben vom Anfang des Alphabets ersetzt?
- Was sollte eine Blockchiffre laut Shannon enthalten?
- Wurde das DES-Protokoll eingeführt, um die Sicherheit von AES-Kryptosystemen zu verbessern?
- Hängt die Sicherheit von Blockchiffren davon ab, Verwirrungs- und Diffusionsoperationen häufig zu kombinieren?
- Müssen die Verschlüsselungs- und Entschlüsselungsfunktionen geheim gehalten werden, damit das kryptografische Protokoll sicher bleibt?
- Kann Kryptoanalyse verwendet werden, um sicher über einen unsicheren Kommunikationskanal zu kommunizieren?
- Gehören Internet, GSM und Mobilfunknetze zu den unsicheren Kommunikationskanälen?
- Ist eine erschöpfende Schlüsselsuche gegen Substitutionschiffren wirksam?
Weitere Fragen und Antworten finden Sie unter EITC/IS/CCF Classical Cryptography Fundamentals
Weitere Fragen und Antworten:
- Feld: Internet-Sicherheit
- Programm: Grundlagen der klassischen EITC/IS/CCF-Kryptografie (Gehen Sie zum Zertifizierungsprogramm)
- Lektion: Stromchiffren (Gehen Sie zur entsprechenden Lektion)
- Thema: Stromchiffren und Schieberegister mit linearer Rückkopplung (Gehen Sie zum verwandten Thema)
- Prüfungsrückblick

